Während an Land immer mehr darüber nachgedacht wird, wie man die übermäßige Entstehung von Plastikmüll verhindern kann, fängt einer derweil schon mal an aufzuräumen. Boyan Slat, ein 24-jähriger Niederländer ist mit seinem Team und einer Art gigantischem Müllsammelsieb aktuell unterwegs zu einem der größten Müllstrudel im Meer: Dem Great Pacific Garbage Patch. Das sogenannte „Ocean Cleanup“-Team möchte das Meer von Plastikmüll befreien. Wie genau das funktioniert und welche Bedeutung das Projekt im Kampf gegen den Plastikmüll hat, liest Du hier.
Die Müllstrudel der Meere
Plastik gelangt vom Land in die Meere und breitet sich dort ungehindert in jeden Winkel aus. An einigen Stellen konzentriert sich der Müll jedoch besonders – und zwar an den sogenannten Müllstrudeln. Insgesamt gibt es fünf solcher Strudel. Die Strudel sind zunächst ein Mal ein natürliches Phänomen, das durch Ozeanströmungen entsteht. Neu daran ist, dass sich in diesen Strudeln Unmengen von Plastik sammeln. Der pazifische Müllstrudel oder auch Great Pacific Garbage Patch – nördlich des Äquators in etwa auf halbem Weg zwischen Kalifornien und Hawaii – ist vermutlich der größte der existierenden Müllstrudel.
Genaue Aussagen über die Größe sind allerdings fast unmöglich zu treffen, da sich der Strudel permanent verändert und wandert. Forscher des Ocean Cleanup Teams haben sich 2015 jedoch an einer Vermessung versucht und schätzen den Strudel durchschnittlich auf eine Größe, die ungefähr das 4,5-fache Gebiet Deutschlands umfasst. Fischernetze, Flaschen und Kleinstteile schwimmen in dem Plastikstrudel – insgesamt wird die Menge an Plastik auf 80.000 Tonnen geschätzt.
Warum räumt das eigentlich keiner auf?
Wenn man diversen Medienberichten glaubt, hat sich diese Frage auch Boyan Slat gestellt und dann beschlossen die Sache einfach selbst in die Hand zu nehmen. Der junge Unternehmer hat sein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik aufgegeben, um sich ganz der Entwicklung seiner Ocean Cleanup Idee zu widmen. In Zusammenarbeit mit einem Team aus etwa 80 Wissenschaftlern und Ingenieuren realisierte er den Bau einer Anlage, die einem riesigen, schwimmenden Sieb ähnelt. An einem etwa 600 Meter langen Schwimmkörper hängt eine Art Netz, das etwa 3 Meter weit in die Tiefe reicht und das Plastik dort aus dem Meer filtern soll. Dabei macht sich das System die Strömung zunutze und lässt das Plastik einfach von selbst in das Netz treiben. Eine Ankerkonstruktion verhindert, dass die Anlage abtreibt. Fische und andere Meerestiere sollen nach Aussagen der Entwickler problemlos unter dem Netz herschwimmen können – obwohl Kritiker diese Aussage mit Skepsis betrachten. Sobald eine bestimmte Menge an Plastik gesammelt wurde, wird es von einem Schiff an Land transportiert.
Die Anlage wurde bereits diversen Tests unterzogen
Das System hat bereits diverse Tests unterlaufen. Vor der niederländischen Küste hat es seine ersten Schritte in Kinderschuhen gemacht, inzwischen hat es auch die zweite Testphase etwa 500 Kilometer vor der kalifornischen Küste erfolgreich absolviert. Aktuell befindet sich das Schiff mit dem Müllstaubsauger, wie die Anlage in vielen Berichten inzwischen genannt wird, auf dem Weg zum Great Pacific Garbage Patch. Voraussichtlich wird es dort in wenigen Tagen ankommen und dann seine Arbeit aufnehmen können.
Wie kann The Ocean Cleanup der Umwelt wirklich helfen?
Momentan befindet sich das System in den letzten Zügen seiner Testphase. Wenn hierbei alles glatt läuft, sollen in Zukunft 60 weitere solcher Anlagen im Meer eingesetzt werden. Eigenen Prognosen von The Ocean Cleanup zufolge könnte das Projekt dann innerhalb von fünf Jahren etwa 35.000 Tonnen Plastikmüll aus dem Ozean beseitigen. 35.000 Tonnen Plastik – das klingt nach einer ungeheuren Menge. Kritischen Schätzungen zufolge sind das jedoch gerade ein Mal 0,5% der Menge, die jährlich ins Meer gelangt. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das Netz das Plastik – vor allen Dingen Mikroplastik – nicht erreicht, das in den tieferen Tiefen schwimmt. The Ocean Cleanup argumentiert jedoch dagegen. Das Projekt soll insbesondere größere Plastikteile aus dem Meer fischen, bevor diese überhaupt zu Mikroplastik zerfallen können (Hier finden Sie weitere Infos zum Thema Mikroplastik). Das gelinge an der Oberfläche am besten.
The Ocean Cleanup ist ein äußerst medienträchtiges Projekt, das aktuell eine Menge Aufmerksamkeit und damit einhergehend sowohl euphorische Unterstützung als auch heftige Kritik erfährt. In Wahrheit ist wohl irgendetwas dazwischen gerechtfertigt. Dass das Problem nicht allein dadurch gelöst werden kann, dass der Müll aus dem Meer gefischt wird, ist auch dem Team von The Ocean Cleanup bewusst. Natürlich müssen der Plastikkonsum eingeschränkt und die Entsorgungssysteme deutlich verbessert werden. Trotzdem könnten Projekte wie das Ocean Cleanup eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Plastikflut spielen. Dabei muss natürlich weiterhin beobachtet werden ob und inwiefern sich die Installation solcher Anlagen auf die Prozesse im Meer und die dort leben Tiere auswirkt. Aufmerksamkeit hat das Projekt jedoch in jedem Fall bereits generiert. Und das kann im Kampf gegen den übermäßigen Plastikkonsum zunächst ein Mal nur gut sein.