Es gibt Neues von The Ocean Cleanup. Vergangenen Samstag hat CEO Boyan Slat das neueste Projekt des Unternehmens im niederländischen Rotterdam vorgestellt: den „Interceptor“ (zu Deutsch: „Abfänger“). Damit will das Unternehmen der Plastikverschmutzung in den Flüssen begegnen. Mit dem Interceptor hat sich The Ocean Cleanup ehrgeizige Ziele gesetzt. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen die 1000 am stärksten verschmutzten Flüsse von einem Großteil des enthaltenen Plastikmülls befreit werden. Wie das funktionieren soll und ob diese Prognose realistisch ist, haben wir für Dich unter die Lupe genommen.
Plastik in den Ozeanen: Gefahr für Mensch und Tier
Eines der größten Probleme unserer Zeit ist der Plastikmüll in den Ozeanen, der das Ökosystem Meer empfindlich aus dem Gleichgewicht zu bringen droht. Tiere nehmen die Kunststoffteilchen mit der Nahrung auf oder verheddern sich in größeren Plastikteilen und verenden qualvoll daran. Einmal in den Mägen der Meeresbewohner landen diese mit dem nächsten Fischessen schließlich auch auf unserem Teller. Welche gesundheitlichen Folgen das für den Menschen hat, ist noch nicht eindeutig geklärt. In dem Artikel Plastik – Gesundheitsrisiken für den Menschen sind wir der Frage auf den Grund gegangen.
Fünf große Müllstrudel
Ein Großteil des Plastikmülls sammelt sich in einem der fünf großen Müllstrudel an. Dabei handelt es sich um gigantische Ansammlungen von Plastikmüll, die in den Meeren treiben. Der größte von ihnen ist der nordpazifische Müllstrudel zwischen Kalifornien und Hawaii. Schätzungen zufolge besteht dieser aus rund 1,8 Billionen Plastikteilen, die zusammen knapp 80.000 Tonnen wiegen. Mit einem gigantischen Müllstaubsauger will The Ocean Cleanup versuchen, die Ozeane von dem Plastikmüll zu befreien. Nachdem ihr Vorhaben im ersten Anlauf gescheitert ist, wagte das Team um Boyan Slat mit System 001/B im Juni 2019 einen neuen Versuch und konnte damit bereits erste Erfolge erzielen und große Mengen Plastik aus dem Meer fischen.
Plastikmüll in den Flüssen: „We need to close the tap.“
Doch wo kommt der ganze Plastikmüll eigentlich her und wie gelangt er in die Meere? Diese Frage hat sich auch The Ocean Cleanup gestellt. Dabei ist das Unternehmen zu dem Schluss gekommen, dass sich ein Großteil des Plastikmülls, um genau zu sein 80 Prozent, über gerade einmal 1000 Flüsse seinen Weg in die Ozeane bahnt. Mit dem Interceptor will The Ocean Cleanup das Problem nun an der Wurzel bekämpfen oder wie Boyan Slat zu sagen pflegt: „We need to close the tap“. So will man verhindern, dass das Plastik überhaupt ins Meer gelangt.
Was ist der Interceptor?
Bei dem Interceptor handelt es sich um ein futuristisch anmutendes, 24 Meter langes Boot, das dazu in der Lage sein soll, rund um die Uhr umherschwimmende Plastikteile einzufangen. Slat zufolge schafft es das Boot so, 50 bis 100 Tonnen Plastikmüll an nur einem Tag aus dem Wasser zu fischen. Dabei überzeugt der Interceptor durch einen umweltfreundlichen Betrieb. Das gesamte System wird durch Solarenergie betrieben und arbeitet völlig autonom. Eine zusätzliche Arbeitskraft ist nur erforderlich, um die Container im Inneren des Interceptors zu leeren. Das System sendet dazu automatisch eine Nachricht an den lokalen Betreiber, sobald die Container voll sind.
Wie funktioniert er?
Doch wie kann überhaupt gewährleistet werden, dass das Plastik auch wirklich von dem Interceptor aufgesaugt wird und nicht einfach daran vorbeischwimmt? Zentraler Bestandteil des Systems ist eine gekrümmte Barriere, die das Plastik in den Flüssen abfängt und gezielt zum Interceptor leitet. Dort angekommen transportiert ein Förderband die Plastikteile in das Innere des Geräts, wo sie in einen von sechs Containern geworfen werden. Diese Container verfügen über ein Fassungsvermögen von insgesamt 50m3. Eine Leerung ist dementsprechend selten erforderlich.
Der Interceptor wird fest im Flussbett verwurzelt, ist dabei aber nicht an eine spezifische Position gebunden. Dieser kann dort installiert werden, wo es strategisch sinnvoll ist. So können auch andere Schiffe den Flusslauf weiterhin passieren ohne vom Interceptor behindert zu werden. Der Interceptor wurde als globale Lösung für das weltweite Plastikproblem entwickelt. Er funktioniert ortsunabhängig und kann somit prinzipiell in jedem beliebigen Fluss installiert werden.
The Interceptor: Where it already happens
Kritiker von The Ocean Cleanup werden das neue System sicherlich mit Argwohn beäugen. Das große Scheitern von System 001 bei der Meeressäuberungsaktion Anfang des Jahres scheint noch allzu präsent. Doch auch seinen Kritikern konnte Boyan Slat vergangenen Samstag schnell den Wind aus den Segeln nehmen.
Es existieren nämlich schon vier dieser Boote. Zwei davon seien sogar bereits in Indonesien und Malaysia im Einsatz und auch das dritte Boot soll seine Arbeit zeitnah im Mekong Delta in Vietnam aufnehmen. Der Mekong gehört zu den zehn am stärksten durch Plastikmüll verschmutzten Flüsse weltweit. The Ocean Cleanup will künftig mit Regierungen, Flussbesitzern, Gründern und Sponsoren zusammenarbeiten, um den Interceptor in Flüssen weltweit zu installieren.
Mehr als nur leere Versprechungen?
Doch wie realistisch ist dieses Vorhaben? Was Boyan Slat in seinem Vortrag nicht erwähnt, ist, dass lange nicht der gesamte Plastikmüll in den Ozeanen über die Flüsse dorthin gelangt. Verwehungen, Müll, der von Schiffen über Bord geht und achtlos an den Stränden zurückgelassener Abfall tragen maßgeblich zum Plastikproblem in unseren Meeren bei.
Dennoch bewerten Experten den neuen Ansatz als weitaus vielversprechender als den Meeres-Müllfänger des Unternehmens. Tatsächlich schwimmen nämlich Schätzungen zufolge gerade einmal ein bis drei Prozent des Plastikmülls an der Meeresoberfläche. Und System 001/B ist nur dazu in der Lage, ebendiesen an der Oberfläche schwimmenden Müll aufzufangen. Außerdem erscheint es wesentlich schwieriger, größere Mengen Plastikmüll auf einer so großen Fläche wie dem Pazifischen Ozean zuverlässig einzusammeln. Verglichen damit erscheint der Aufwand, Plastik aus einem begrenzten Flussquerschnitt aufzufangen, deutlich geringer und das Projekt dementsprechend erfolgversprechender. Die Interceptoren werden das Eindringen von Plastik in die Ozeane sicherlich nicht vollständig unterbinden. Sie können aber einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Flüsse von ihrem Plastikmüll zu befreien und so für eine sauberere Umwelt zu sorgen.
Natürlich entlastet das die Plastikhersteller nicht von ihrer Verantwortung, die Kunststoffproduktion zu verringern und kurz- oder mittelfristig durch sinnvolle Alternativen zu ersetzen. Wir alle können dazu beitragen, indem wir in unserem Alltag bewusst auf Plastik verzichten, denn die Nachfrage bestimmt das Angebot. Tipps und Anregungen findest Du in unserem plastikfreien Ratgeber. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Stöbern!