Die Plastiksteuer – Vor- und Nachteile

4. Juli 2018 | Globale Nachhaltigkeit

Seit Anfang 2021 gilt die EU-weite Kunststoffabgabe, besser bekannt als “Plastiksteuer”. Demnach sind die Länder verpflichtet pro Kilo nicht recycelten Plastikmülls eine Abgabe von 80 Cent an die EU abzuführen. Auf diese Weise soll der Plastikkonsum drastisch eingeschränkt werden und so hoffentlich auch die Klimakrise bewältigt werden. Aber was genau bedeutet die Plastiksteuer überhaupt und wie kann sie helfen, das Plastikproblem zu lösen? Gibt es auch andere Lösungen?

Plastiksteuer in Deutschland

Eigentlich haben wir in Deutschland bereits ein fortgeschrittenes Recyclingsystem. Trotzdem ist unsere Müllproduktion im europäischen Raum fast unübertroffen. Offiziell ist unsere Recyclingquote zwar sehr hoch, aber dabei wird nur gezählt, wie viel Prozent des Mülls die Recyclinganlage erreicht, nicht wie viel davon tatsächlich recycelt wird. Ein großer Teil der dort abgeladenen Kunststoffe ist nämlich gar nicht recycelbar oder kann von den Maschinen nicht richtig zugeordnet werden, sodass er am Ende doch einfach verbrannt wird. Die tatsächliche Recyclingquote schätzen einige Kritiker deshalb auf gerade mal auf 30-40%.

Überblick: Die Plastiksteuer

Was?Abgabe auf nicht recycelten Plastikmüll
Wer?Alle EU-Staaten
Wie viel?80 Cent pro Kilogramm nicht recyceltem Plastikmüll
Wann?Seit dem 1. Januar 2021
Warum?Reduzierung des Plastikmülls

Die EU-Plastiksteuer – Was ist das?

Streng genommen ist die Plastiksteuer gar keine “Steuer”, sondern eine “Abgabe”. Ziel dahinter ist es, den Gebrauch von Plastik zu reduzieren und den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft zu ebnen. Wer genau für diese Abgabe aufkommen muss, ist Sache der Länder. In Deutschland wird diese Abgabe zur Zeit aus Steuereinnahmen gezahlt. Darin sehen viele aber ein Problem: Sie sehen den Steuerzahler nicht in der Verantwortung für die enormen Massen an nicht recycelbarem Plastik, sondern die Produzenten, die den Kunststoff herstellen und ihre Produkte damit verpacken. Sie fordern daher, dass die Abgabe auf die Verursacher umgelegt wird. So sollen die Firmen motiviert werden, weniger neues Plastik zu verursachen und ihre Produkte nachhaltiger herzustellen. Die Plastiksteuer ist ein heiß diskutiertes Thema, das viele Vor- und Nachteile mit sich bringt. Wir haben die Pro- und Contra-Argumente einmal zusammengefasst:

Vorteile der Plastiksteuer

Plastiksteuer Kreislaufwirtschaft
Die Plastiksteuer könnte überflüssige Plastikverpackungen abschaffen und stattdessen eine Kreislaufwirtschaft ins Leben rufen.
  • Reduzierung des nicht verwertbaren Plastikmülls: Ziel und größter Vorteil der Plastiksteuer ist die Verringerung des Plastikmülls. Im Fokus liegt dabei vor allem Plastik, das weder aus Recyclat gefertigt wurde, noch selbst recycelt werden kann.
  • Zusätzliche Einnahmen: Entstanden ist die Idee zur Plastiksteuer, um die Einnahmen-Lücke zu füllen, die der Brexit hinterlassen hatte. Aber die Einnahmen aus der Plastikabgabe könnten ebenso gut genutzt werden, um die Abfallvermeidung weiter zu unterstützen. Beispielsweise könnten dadurch Forschungen zu nachhaltigeren Kunststoffen finanziert werden oder die Recyclingindustrie unterstützt werden.
  • Verlagerung zur Kreislaufwirtschaft: Die Plastikabgabe kann außerdem den Grundstein für eine Kreislaufwirtschaft bilden. Denn wenn Wegwerf-Plastik unattraktiv gemacht wird, muss umgedacht werden. Langfristig wird dann die Investition in langlebige, nachhaltige Produktionsstoffe die bessere Alternative sein. Sie können lange genutzt werden und auch danach noch weiter verwertet werden, ohne das Müll entsteht.

Nachteile der Plastiksteuer

  • Höhere Kosten: Die Plastiksteuer kostet Geld und das kommt vor allem von den Verbrauchern. Zur Zeit wird die Abgabe von den Steuern gezahlt, also von den Bürgern finanziert. Aber auch im Falle der Umlage auf die produzierenden Firmen, wird sich die Abgabe in Form von höheren Einkaufspreisen bei den Konsumenten bemerkbar machen. Die Plastikabgabe führt also nicht zwangsläufig zu weniger Plastikkonsum, sondern dazu dass er teurer wird. Auch das kann aber eine effektive Maßnahme sein, wenn der Konsument aufgrund der höheren Kosten auf die Plastikprodukte verzichtet.
  • Fehlende Investitionsgelder: Gelder, die die Länder als Plastikabgabe abführen müssen, fehlen ihnen dann womöglich, um in eigene Nachhaltigkeitsstrategien zu investieren. Das Geld könnte zum Beispiel genutzt werden, um eigene Recyclinganlagen zu erneuern, um die Recyclingquote zu erhöhen.
  • Falsche Verantwortlichkeit: Einige argumentieren, dass Deutschland kaum zur Umweltverschmutzung durch Plastik beiträgt. Die Schuld läge hier viel eher bei den Ländern, die kein geregeltes Entsorgungssystem haben. Diese sollten daher auch zur Verantwortung gezogen werden, anstatt im Rahmen der Plastiksteuer alle Länder kollektiv zu bestrafen. Allerdings bedeutet das nicht zwangsläufig, dass Deutschland seinen Plastikkonsum nicht senken muss und das eine Plastiksteuer da nicht helfen könnte. Denn Plastik benötigt bereits in der Herstellung kritische Ressourcen wie zum Beispiel Erdöl, Wasser und Energie. Auch das sind Faktoren, die den Umweltschutz beeinträchtigen und mit einer Plastiksteuer gemildert werden könnten.

Wofür gilt die Plastiksteuer ab 2021 und wer trägt die Kosten dafür?

Die Plastiksteuer soll dafür sorgen, dass weniger Plastikmüll einfach verbrannt wird.

Um tatsächlich auch etwas für die Umwelt zu erreichen, muss eine Steuer auf Plastik sinnvoll angegangen werden. Die erste Idee einer europaweiten Steuer auf Plastik war mehr als schwammig. Auf was genau die Abgabe erhoben werden könnte und wer wie viel zahlen müsste war noch nicht entschieden bevor die Idee doch vorerst wieder aufgegeben wurde. Mitte 2020 wurde sie schließlich doch beschlossen und seit 1. Januar 2021 gilt sie. Die Abgabe gilt nicht auf die Menges des produzierten Plastiks, sondern auf die Menge des nicht recycelten Plastikmülls. Dieser soll die Länder pro Kilogramm 80 Cent kosten. Wer die Kosten tragen muss, wird von der EU nicht vorgegeben. Die Länder können also selbst entscheiden, nach welchem Prinzip sie die Abgaben einholen.

Welche Alternativen zur Plastiksteuer der EU gibt es?

Zunächst einmal gibt es mehrere Möglichkeiten wo eine Plastiksteuer greifen könnte. Sie könnte beispielsweise ganz am Anfang der Produktionskette ansetzen, eben bei der Besteuerung von Rohöl, das für die Kunststoffproduktion genutzt wird, oder auch ganz am Ende, bei der Besteuerung der fertigen Endprodukte wie zum Beispiel der Chipstüte. Beide Maßnahmen hätten Vor- und Nachteile.

Organisatorisch wäre die Besteuerung am Anfang der Produktionskette einfacher. Rohöl, das für die Kunststoffherstellung genutzt wird, könnte einheitlich versteuert werden und beträfe zunächst einmal nur wenige Akteure. Eine Steuer auf die Endprodukte wäre in der Umsetzung deutlich komplizierter. Man müsste unzählige Produkte versteuern und die entsprechenden Abgaben sinnvollerweise unterschiedlich staffeln. Aufgrund ihrer Lenkungswirkung wäre die Steuer auf die Endprodukte aber wohl effizienter. Besonders hilfreich könnte eine Steuer sein, die irgendwo in der Mitte der Produktionskette greift. Dort träfe sie natürlich zunächst einmal die Industrie, diese würde die Kosten aber auch auf die Endverbraucher umlegen. Idealerweise könnte dies ein Umdenken sowohl der Industrie als auch der Verbraucher fördern.

Kunststoffsteuer in Italien

Seit Januar 2022 gilt in Italien die Plastiksteuer für Primärkunststoff, der zu Einwegprodukten verarbeitet wird. 450€ pro Tonne, also 45 Cent pro Kilogramm müssen dann abgeführt werden. Ausgeschlossen sind Kunststoffe für medizinische Artikel, biologisch abbaubare Kunststoffe und Packstoffe mit Recyclat-Anteil.

Kunststoffsteuer in Spanien

Spanien plant ebenfalls, in Zukunft eine Plastiksteuer zu erheben. Nach der Umsetzung des EU-weiten Plastikverbotes soll das nun der nächste Schritt in eine nachhaltigere Zukunft sein. Die Steuer betrifft die Herstellung, den Import und innergemeinschaftlichen Erwerb nicht wiederverwendbarer Kunststoffverpackungen.

Das Zauberwort heißt Lenkungswirkung

Bei Einkaufstüten hat es geklappt – warum also nicht auch bei allen anderen Plastikprodukten?

Wenn die Produkte teurer werden, murren die Leute an der Kasse, kaufen sie aber im Endeffekt trotzdem. Richtig? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Als die Benzinpreise vor einigen Jahren auf Rekordpreise kletterten, wurde gemurrt und gemeckert und dennoch weiter gefahren. Als sich im vergangenen Jahr aber viele Einzelhandelsketten entschieden, Plastiktüten nicht mehr wie selbstverständlich über die Ladentheke wandern zu lassen, sondern einen geringen Centbetrag dafür zu verlangen, führte das tatsächlich dazu, dass Jutebeutel und mehrfach verwendbare Einkaufstaschen einen festen Platz in der Shoppingausrüstung gefunden haben und die Plastiktüte viel öfter abgelehnt wurde.

Das Wort “Lenkungswirkung” spielt hierbei eine große Rolle und wird durchaus auch kritisch gesehen. Plastik ist in der Herstellung relativ günstig, bekommt durch die Steuern aber einen höheren Wert zugeschrieben. Die Folgen, die Plastik für die Umwelt verursacht, werden den Konsumenten vorgeführt, indem sie in einen symbolischen, finanziellen Wert umgewandelt werden. So soll der Konsument zum Nachdenken angeregt werden und letztlich natürlich am besten eine alternative Kaufentscheidung treffen. Einige verstehen diese Lenkungswirkung als Manipulation und sehen sie deshalb kritisch. Angesichts der Effekte, die Plastik auf die Umwelt hat, ist es aber durchaus gerechtfertigt die Menschen hierauf durch eine Preissteigerung aufmerksam zu machen und zu einem Umdenken zu bewegen.

Die Steuer ist eine gute Idee – aber das reicht nicht

Die Steuer allein kann das Plastikproblem jedoch nicht lösen. Denn, dass ein erhöhter Preis den Konsum von Plastik nicht mit einem Mal beenden wird, ist klar. Und das ist ja auch gar nicht der Zweck der Steuer. Denn es gibt durchaus Nutzungsarten von Plastik, die nicht gänzlich verbannt werden können oder sollten. Allerdings muss es weitere Maßnahmen geben, um die negativen Folgen von Plastik für die Umwelt zu regulieren.

  • Verschärfte Recyclinggesetze: Eine Plastiksteuer regelt beispielsweise nicht, was mit dem restlichen Plastik geschieht, das weiterhin konsumiert wird. Um hierauf einen Einfluss zu nehmen, müsste es verschärfte Recyclinggesetze geben. Den Müll zum Recycling in Länder zu verschiffen, die selbst kein geregeltes Entsorgungssystem haben und in denen nicht transparent gemacht wird, was mit dem Müll tatsächlich geschieht, kann nicht die Lösung sein.
  • Regelungen zur Produktion: Die wilde Mischung verschiedener Kunststoffsorten ist ein Problem für die Recyclingindustrie. Vielleicht könnten strengere Vorschriften zur Regelung der Inhaltsstoffe von Kunststoffprodukten hier Abhilfe schaffen.
  • Plastikalternativen: Häufig fehlen noch Alternativen zu Plastikprodukten. Wenn die Menschen sich nach der Einführung einer Plastiksteuer schon allein aufgrund des höheren Preises für eine Plastikalternative entscheiden wollen, muss es diese auch in ausreichendem Maße geben. Das ist in vielen Alltagsbereichen und vor allen Dingen in durchschnittlichen Supermärkten bisher nicht der Fall. Es müsste deutlich mehr Lebensmittel ohne überflüssige Verpackung geben. Um dies zu erreichen, müsste jedoch die Industrie mit strengeren Auflagen belegt werden. Für alle Produkte, die nicht unverpackt verkauft werden können, müssen wirklich nachhaltige Alternativen zu Plastik gesucht werden. Produkte aus Zuckerrohrfasern und Mais könnten hier ein Anfang sein, müssen aber ebenfalls in ihrer Herstellung streng kontrolliert werden, um tatsächlich eine positivere Umweltbilanz zu erreichen.

Die Steuer auf Plastik kann also durchaus sinnvoll sein, solange sich die Politik nicht darauf ausruht und stattdessen weitere Maßnahmen gegen den übermäßigen Verbrauch von Plastik vornimmt.

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