Alternativen zu Plastik: Lignin

Was haben Blockflöten, Urnen, High-Heels und Kaffeekapseln gemeinsam? Nichts, meinst Du? Falsch. Sie alle können aus dem Rohstoff Lignin hergestellt werden. Dabei handelt es sich um einen Holzbestandteil, auf den man derzeit alle Hoffnung setzt, denn Lignin könnte herkömmliches Plastik zumindest in Teilen bald ersetzen. Mit ihrem Werkstoff Arboform® revolutionieren zwei Schwaben bereits seit ein paar Jahren die Werkstoffindustrie. Vor rund 20 Jahren entdeckten sie das große Potenzial von flüssigem Holz und erobern seitdem die Weltmärkte.

Weltweites Plastikproblem: Wir brauchen Alternativen

Plastik ist günstig und ausgesprochen vielfältig: Beinahe alles kann man aus dem Multitalent Plastik herstellen. Kein Wunder also, dass die Welt in den letzten Jahrzehnten in einen regelrechten Plastikrausch verfallen ist. Das blieb natürlich nicht ohne Folgen. Deshalb haben wir wegen des hohen Plastikkonsums jetzt ein weltweites Müllproblem. Das liegt nicht zuletzt an der schlechten Bio-Resonanz: Manche Kunststoffe brauchen mehr als 500 Jahre, ehe sie verrotten. Um das Müllproblem in den Griff zu bekommen, müssen dringend Alternativen her.

Was ist Lignin und wie wird es hergestellt?

Regenwald - Lignin, das in jeder verholzenden Pflanze vorkommt, ist einer der verfügbarsten Rohstoffe auf der Erde

Das haben die beiden Gründer von Tecnaro, Jürgen Pfitzer und Helmut Nägele, schon früh erkannt. So experimentierten sie bereits im Jahr 1996 mit Pflanzen als Ersatz für das Erdöl in der Kunststoffproduktion, das sich langsam aber sicher dem Ende entgegen neigt. Dabei stießen sie auf einen natürlichen Stoff, von dem jährlich rund 20 Milliarden Tonnen nachwachsen: Lignin.

Aber was ist das nun eigentlich genau? Lignin ist neben der Cellulose der verfügbarste Rohstoff auf der Erde. Alle verholzenden Pflanzen bilden Lignin. Es bildet die Außenhaut einer pflanzlichen Zelle und ist die Voraussetzung dafür, dass Pflanzen hoch wachsen können. Etwa 50 Millionen Tonnen Lignin fallen jedes Jahr als Reststoff bei der Papierherstellung an. Die Tecnaro-Gründer machten sich die Papierabfälle zunutze, um daraus einen neuen Werkstoff zu gewinnen. Dazu mischten sie Lignin mit weiteren Naturstoffen wie Flachs und Hanf. Im Herstellungsprozess wird das Lignin aufgeschmolzen und anschließend in langen Strängen ausgekühlt. Dabei entsteht ein Granulat, das sich zu recycelbaren Kunststoffprodukten weiterverarbeiten lässt: Arboform®.

Über 4000 Bioplastik-Rezepturen

Bausteine für Kinder können aus Lignin hergestellt werden

Der Bio-Kunststoff besitzt die gleichen Eigenschaften wie herkömmliches Plastik: Er ist langlebig, strapazierfähig und hitzefest – und dazu auch noch komplett biologisch abbaubar. Außerdem sind die daraus hergestellten Produkte frei von Weichmachern und anderer Chemie. Dank ihrer vielfältigen Eigenschaften finden sich die Bio-Werkstoffe von Tecnaro mittlerweile in allen erdenklichen Alltagsgegenständen, angefangen bei Lautsprechergehäusen über Büroartikel bis hin zu Babyspielzeug. Sogar bei einem namhaften italienischen Modehaus kam das Flüssigholz im Absatz eines Öko Pumps zum Einsatz und selbst das Problem mit den Kaffeekapseln könnte bald der Vergangenheit angehören, denn diese lassen sich auch auf der Basis von Lignin herstellen. Dabei sind die Kapseln so aromadicht, dass man Kaffee problemlos zwei Jahre lang darin aufbewahren kann. Nach fünf Monaten auf dem Kompost sind die Kapseln dann vollständig verrottet. Die Liste der verschiedenen Anwendungen von Flüssigholz ist lang. 2019 hat Tecnaro über 4000 Bioplastik-Rezepturen entwickelt, aus denen sich nahezu jede Plastikalternative herstellen lässt.

Lignin – Das „grüne“ Plastik der Zukunft?

Lignin-Anbau steht in Konkurrenz zur Lebensmittel- und Futterindustrie

Aber birgt Lignin auch Probleme? Kritiker fragen sich, wie intensiv sich das Flüssigholz nutzen lässt, ohne dass die Natur davon Schaden nimmt, schließlich würde die Suche nach Holz die Abholzung der Regenwälder weiter vorantreiben. Und selbst die Gewinnung aus Stroh und Miscanthus-Gras, die den Stoff ebenfalls bilden, ist nicht ganz unbedenklich, da deren Anbau in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. Landwirtschaftlich nutzbare Flächen sind begrenzt. Wenn zusätzliche Fläche für den Anbau von verholzenden Pflanzen zur Lignin-Gewinnung nötig wäre, könnte das schnell zu Problemen führen. Beschränken wir uns auf die Nutzung des Nebenprodukts Lignin, das bei der Papierherstellung zurückbleibt, stehen die Chancen für eine ökologisch sinnvolle Plastikalternative aus Flüssigholz nicht schlecht. Zwar wird das herkömmliches Plastik nicht so schnell ersetzen, aber zumindest ergänzen können. Davon sind nicht nur Pfitzer und Nägele überzeugt.

Die Vor- und Nachteile von Lignin im Überblick

VorteileNachteile
für nahezu jede Verwendung von Plastik lässt sich auf Basis von Lignin eine Alternative herstellenAnbau steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
einer der verfügbarsten Rohstoffe auf der Erdeaufwendige Gewinnung
bleibt als Abfallprodukt bei der Papierherstellung zurückverhältnismäßig langsame biologische Abbaubarkeit
sehr formstabil
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